Von Matthias Dreier
Menschen haben Geburtstage, Institutionen haben Geburtstage, Ereignisse haben Geburtstage - aber auch Briefe?!
Am 21. Juli 1944 schrieb Dietrich Bonhoeffer am Ort politischer Gefangenschaft - im Militärgefängnis in Berlin-Tegel - diesen Brief an Eberhard Bethge, aus dem ich einige Zeilen zitieren möchte: "Ich habe in den letzten Jahren die tiefe Diesseitigkeit des Christentums kennen und verstehen gelernt...Nicht die platte und banale Diesseitigkeit..., sondern die tiefe Diesseitigkeit,...in der die Erkenntnis des Todes und der Auferstehung immer gegenwärtig ist,
meine ich. ...in der Fülle der Aufgaben, Fragen, Erfolge und Mißerfolge, Erfahrungen und Ratlosigkeiten leben -, dann wirft man sich Gott ganz in die Arme, dann nimmt man nicht mehr die eigenen Leiden, sondern das Leiden Gottes in der Welt ernst,...und so wird man ein Mensch, ein Christ... Wie sollte man bei Erfolgen übermütig oder an Mißerfolgen irre werden, wenn man im dieseitigen Leben Gottes Leiden mitleidet?...Ich bin dankbar, daß ich das habe erkennen dürfen, und ich weiß, daß ich es nur auf dem Wege habe erkennen können, den ich nun einmal gegangen bin..."
Diese Zeilen schrieb Bonhoeffer einen Tag nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler. In den Augen Bonhoeffers ist glaubwürdiges Christsein nur möglich in einer tiefen Diesseitigkeit zwischen Jenseitsflucht und Diesseitssucht. Bonhoeffer hat die tiefe Dieseitigkeit mit seinem Weg in den Widerstand gegen das menschenverachtende NS-Regime erkannt. Diese tiefe Dieseitigkeit deutet er als Christ als "Mitleiden mit Gottes Leiden in der Welt".
Die lezten Zeilen diese Briefes lauten:"Lebe wohl, bleibe gesund und laß die Hoffnung nicht sinken, daß wir uns bald wiedersehen." Diese Wort sollten sich so nicht erfüllen. Am 9. April 1945 wird Dietrich Bonhoeffer im KZ Flossenbürg ermordet.
Geblieben ist uns sein "theologisches Testament" , besonders seine Gefängnisbriefe, die auch heute noch für mich eine Quelle der Inspiration sind.