Predigt vom 13.09. 2020
von Matthias Dreier
... Mit der Entwicklung des Lebens auf unserem Planeten vor gut 13.5 Mrd. Jahren entstehen im Urmeer durch bio-chemische Prozesse auch Bakterien und Viren. Ja, wir können sogar sagen, ohne Bakterien und Viren
gäbe es uns Menschen gar nicht. ... Im Verlaufe der Geschichte des Lebens "erfindet" die Evolution die geschlechtliche Vermehrung. ... Um nun das Erbgut der Lebewesen vor Schädigungen durch Bakterien und Viren
besser zu schützen, kommt es schließlich zur Differenzierung von weiblichen und männlichen Keimzellen. Diese Differenzierung trug erheblich zur Beschleunigung der Evolution bei. Doch zugleich "erkaufte" sich
die Evolution diesen Schritt um einen hohen Preis: Der Tod allen individuellen Lebens auf diesem Planeten. ...
Was also hat nun Gott mit Covid-19 zu tun? Meine Antwort, die ich nun in "intellektueller Redlichkeit" (D. Bonhoeffer) zu geben versuche ...lautet: Nichts und zugleich Alles! Doch der Reihe nach.
Covid-19 als eine Strafe Gottes erklären zu wollen, führt am Ende zur moralischen Selbstgerechtigkeit und zur Diffamierung anderer Menschen. Und ich empfinde solche theologischen Erklärungsversuche als
zynisch gegenüber den Opfern dieser weltweiten Pandemie und! was für ein Gottesbild wird so an den Himmel projeziert?
Aber auch der Versuch Covid-19 als eine Prüfung Gottes zu erklären, bleibt ebenso problematisch und liefert die Menschen letztlich einem willkürlich agierenden Gott aus. Und erneut, was für ein Gottesbild wird hier an den Himmel projeziert?
Bleibt noch der vermeindliche Ausweg in die Rede vom "unerforschlichen Ratschluss Gottes". Diese religiöse Erklärung scheint auf den ersten Blick menschlicher, weil auf das Leid nicht sofort mit fertigen Antworten regiert wird. Doch auch hier weiss eigentlich niemand warum und wozu dieser "Ratschluss" eigentlich gut sein soll. Und unerklärlich ist hier eigentlich gar nichts. Im Gegenteil.
Ich habe gerade die Zusammenhänge des Lebens auf diesem Planeten in groben Zügen entfaltet. Und was wir heute noch nicht wissen, könne wir morgen, spätestens überrmorgen schon wissen -eben naturwissenschaftlich ... Und wir sollten dieses Wissen endlich zur Kenntnis nehmen und zugestehen: Die Evolution, die auch uns Menschen mit Bakterien und Viren hervorgebracht hat - sie lässt einen allmächtigen,allwissenden und allgütigen Gott nicht sichtbar werden. Im Gegenteil: ein Gott an Recht und Moral gebunden, hätte eine solche Welt des "Fressen und Gefressenwerdens" niemals schaffen dürfen. ...
Diese "Gottlosigkeit der Natur", wie ich sie nennen möchte, oder nennen muss, gilt es auszuhalten. Wir können diese "Gottlosigkeit" nicht durch eine vermeindlich objektive Rede über das Tun Gottes verdecken:
Gott hat mit Covid-19 nichts zu tun!!!
... Aber gerade weil die Natur so ist, wie sie ist und weil sie offenbar auch nur so funtioniert, gerade darum brauchen wir eine Dimension, die ganz anders ist, als die Natur:
Gott hat mit Covid-19 alles zu tun!!!
Wir Christen vertrauen mit Jesus auf eine Dimension, die Leben ermöglicht, wo die Natur, ihren Gesetzen folgend, Leben auch durch Bakterien und Viren zerstört. ... Wir brauchen einen Gott, der uns ermutigt und befähigt jene Güte in diese Welt zu tragen, die die Natur zu oft schmerzlich vermissen lässt. ...Wir brauchen einen Gott, der unsere Schuld am Zustand dieser Welt trägt und uns aus Vergebung heraus neue Wege gehen lässt. ...
Kurz: Wir brauchen einen Gott, der uns befähigt zu einer "Ethik des Genug". Genug im doppelten Sinne des Wortes. Einmal im Sinne von: so können und so dürfen wir nicht mehr weiter machen. Es ist genug mit der Ausbeutung von Menschen, Tieren, der Natur. Und genug im Sinne von: Zufriedenheit, Dankbarkeit, ein Weniger als Bereicherung des Lebens, ein Langsamer als Entschleunigung des Lebens. Ein Genug für uns, damit andere genug bekommen. ...
Amen