Auf, Seele, Gott zu loben!

 

Sommergedanken zum 19. Juli von Claudia Boge-Grothaus

 

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Liebe Gemeinde!

 

Wie ich es vermisse, das gemeinsame Singen im Gottesdienst, im Kirchenchor und einfach nur so! Fußballfans vermissen ihre Stadiongesänge (und –besuche), Kitakinder ihre Begrüßungsrunden, Geburtstagständchen und das Abschiedslied, wenn es wieder nach Hause geht. Singe, wem Gesang gegeben… Wer singt, öffnet sein Herz und kann den Atem frei strömen lassen. Die Seele kann aufatmen und mit ganzem Körpereinsatz Gott loben. Darum singen wir normalerweise im Gottesdienst.

Vielleicht kennt nicht jede von uns dieses Lied. Deshalb habe ich mir einen Youtube-Link zum Eröffnungsgottesdienst des 35. Dt. Ev. Kirchentages in Stuttgart, 2015 herausgesucht. Dort singen hunderte von Menschen drei Strophen aus dem Lied „Auf, Seele, Gott zu loben“. Wer mag, kann es sich unter diesem Link anhören und die Strophen aus dem Gesangbuch Nr. 690 mitsingen:

https://www.youtube.com/watch?v=hNmKdGCUreM

Und hier sind die Strophen:

1. Auf, Seele, Gott zu loben./ Gar herrlich steht sein Haus!
Er spannt den Himmel droben/ gleich einem Teppich aus.
Er fährt auf Wolkenwagen,/ und Flammen sind sein Kleid.
Windfittiche ihn tragen,/ zu Diensten ihm bereit.

 

2. Gott hat das Licht entzündet,/ er schuf des Himmels Heer.
Das Erdreich ward gegründet,/ gesondert Berg und Meer.
Die kühlen Brunnen quellen/ im jauchzend grünen Grund,
die klaren Wasser schnellen/ aus Schlucht und Bergesgrund.

 

6. Den Menschen heißt am Morgen/er an das Tagwerk geh'n,
lässt ihn in Plag und Sorgen/ das Werk der Allmacht sehn.
Er ist der treue Hüter,/ wacht über Meer und Land,
die Erd ist voll der Güter/und Gaben seiner Hand.

 

Herrlich, mit den vielen Menschen zusammen zu singen, auch wenn ich gerade allein vor meinem PC sitze. Trotzdem, ich fühle mich beflügelt und erinnert an die schönen Momente, in denen ich dieses oder ein anderes Lied mit anderen gesungen habe: Grüne Wiesen, rauschende Bäume, reifes Getreide und gackernde Hühner habe ich vor Augen und vor mir ein Stück Erdbeertorte mit einem Pott Kaffee.

Nun gut, modern ist dies Lied nicht, aber fröhlich. Und auch wenn ich persönlich vielleicht ein anderes „Gottesbild“ habe als das des Schöpfergottes, der mit Allmacht die Geschicke von Menschen, Tieren, Natur und der ganzen Welt lenkt, trotzdem ist dies eines meiner Lieblingslieder im Gesangbuch. Denn es erinnert mich an Zeiten voller Gemeinsamkeit nicht nur auf Kirchentagen, an gute Erfahrungen, die mir das Lob Gottes leicht über die Lippen fließen ließen, aber auch an Zeiten, in denen mir das gemeinsame Singen geholfen hat, nicht den Mut und die Hoffnung auf gewendetes Leid zu verlieren.

Wer im Gesangbuch nachschaut, entdeckt folgenden Hinweis unter der letzten Strophe:

Text: Martha Müller-Zitzke 1947 nach Psalm 104    |    Melodie und Satz: Johann Steurlein 1575 [vgl. Nr. 501]

Diesem Lied liegt der Psalm 104 zugrunde. 1947 entstand es, also 2 Jahre nach der Befreiung Europas, der ganzen Welt von der Nazidiktatur und den Gräueltaten, die von Deutschland in die Welt getragen wurden. Not und Elend herrschten vor: Bei den Siegern genauso wie bei den „Besiegten“.

"Displaced People" suchten nach Angehörigen und einem Platz im Leben, Flüchtlinge zogen von A nach B und waren nirgendwo willkommen. Häuser waren zerstört und die Lebensmittelmarken und kalte Winter sorgten für hungrige Gesichter.

Martha Müller-Zitzke wurde 1899 in Bodenfelde an der Weser geboren. Sie gehörte einer ev. Freikirche an und gab 1947 die Gedichtsammlung „Neuer Tag“ heraus. Ganz besonders müssen es ihr die Verse 27-35 des 104. Psalms angetan haben:

 

Es wartet alles auf dich, dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit.

Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie;

wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Gutem gesättigt.

Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie; nimmst du weg ihren Odem, so vergehen sie und werden wieder Staub.

Du sendest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und du machst neu das Antlitz der Erde.

Die Herrlichkeit des HERRN bleibe ewiglich,

der HERR freue sich seiner Werke!

Er schaut die Erde an, so bebt sie;

er rührt die Berge an, so rauchen sie.

Ich will dem HERRN singen mein Leben lang

und meinen Gott loben, solange ich bin.

Mein Reden möge ihm wohlgefallen.

Ich freue mich des HERRN.

Die Sünder sollen ein Ende nehmen auf Erden / und die Gottlosen nicht mehr sein.

Lobe den HERRN, meine Seele! Halleluja!


Und wenn man dann die 7. Strophe ihres Liedes liest:

Lass dir das Lied gefallen./ Mein Herz in Freuden steht.

Dein Loblied soll erschallen,/ solang mein Odem geht.

Du tilgst des Sünders Fehle/ und bist mit Gnade nah.

Lob Gott, o meine Seele,/ sing ihm Halleluja.

 

Martha Müller-Zitzke hat den ganzen Psalm übertragen und nicht nur die ersten Verse, die an idyllischen Sommertage mit Erdbeerkuchen und Chorgesängen vor dem Krieg erinnern könnten. Sie sieht gerade kurz nach dem Krieg bereits die Zusammenhänge von Schuld und Elend wie der Psalmbeter. Genau wie dieser sie hat die Hoffnung, dass der Schöpfergott auch der Gott der Gnade und des Neuanfangs für alle Welt ist: Wenn man sich zu seiner schuld bekennt und auf die Wege, die Gott uns gezeigt hat, umkehrt.

Die Ev. Kirche in Deutschland hatte bereits am 19.10.1945 das sogenannte Stuttgarter Schuldbekenntnis verfasst und somit einer Anerkennung der Mit-Schuld der protestantischen Kirche an den Nazigräueln zugegeben. Zusammenhänge von Schuld und Elend ergeben sich bis heute im Zusammenleben von Menschen, im Privaten wie im Berufsleben, als auch in der Wirtschaft – z.B. der Fleischskandal nicht nur im Kreis Gütersloh oder auch die Handelskriege zwischen Ländern.

Hunger und Kriege, Klimawandel und Ethikverletzungen sind die Folgen. Die Umkehr auf die Wege, die uns von Gott gewiesen sind, sind bis heute eine immer wieder neu zu erfüllende Forderung Gottes an uns alle. Wir alle sind angesprochen, gerne auch bei einem Stück Erdbeertorte inmitten einer Sommerlichen Idylle, Wege des Neuanfangs zu gehen und dann in den Lobgesang Gottes einzustimmen.

 

AMEN.