Wo und wie finden wir das Heil?
Predigt von Diakon Roland Schultze am 12. November 2017
Was für ein schöner Sonntag. Gesundheitliche Probleme, Stress im Beruf oder Schule, Sorgen um die Angehörigen halten uns nicht ab, heute Morgen gemeinsam Gottesdienst zu feiern. Wir wollen die Gemeinschaft von Christinnen und Christen finden und Impulse für die nächste Woche gewinnen. Wahrhaft ein schöner Sonntag.
Was für ein schöner Bibeltext mit der Botschaft: „Das Reich Gottes ist mitten unter uns.“ Dieses ist Hoffnung und Auftrag zugleich. Dazu jedoch später mehr.
Lassen Sie uns kurz auf das Lukas Evangelium schauen. Es ist das jüngste der drei synoptischen Evangelien – (ca. 80 nach Chr. geschrieben) und es ist das längste der vier Evangelien. Leserinnen und Leser waren zunächst Griechen bzw. Heiden - und nicht Juden.
Im Prolog macht der Autor deutlich, dass er selbst kein Augenzeuge ist – jedoch umfangreich selbst recherchiert hat. Ein Unterschied zu den anderen Evangelien ist, neben der allseits bekannten und detailreichen Weihnachtsgeschichte – bald werden wir sie wieder hören - unser Text von heute:
Jesus spricht nicht von der baldigen Ankunft des Reichs Gottes; er betont, dass das Reich Gottes bereits jetzt begonnen hat. Das Reich Gottes beginnt also durch ihn – den Menschen Jesus von Nazareth –, durch den lebendigen Sohn Gottes. - Das Reich Gottes beginnt also noch vor Kreuzigung und Auferstehung.
Jesus warnt sogar – wie wir gerade gehört haben- „lauft nicht hinterher, wenn man euch sagt, - dort ist es – das Reich Gottes. Er desillusioniert die Jüngerinnen und Jünger sogar, indem er sagt – Ihr werden ihn – den Tag des Menschensohnes - nicht erleben.
Der Zeitpunkt lässt sich nicht durch ein vermeintliches Vorzeichen ermitteln. Auch lässt sich kein Ort nennen. Die Fragen nach dem Wo und Wann sind möglichweise sogar gefährlich, weil sie von der Tatsache ablenken, dass das Reich Gottes jetzt mitten unter uns ist.
Luther übersetzte –„nicht mit äußerlichen Gebärden erkennt ihr das Reich Gottes – denn sehet, das Reich ist inwendig in euch“.
Liebe Gemeinde, wenn wir die Bibel eingehend lesen, finden wir ganz unterschiedliche Aussagen.
In dem Text von heute sind wir mitten in einer Diskussion von Christinnen und Christen über Aufträge, wie wir das Diesseits gestalten, und über die Hoffnung auf das Jenseits – die auch ein großer Baustein des christlichen Verständnisses ist.
Diese Bibelstelle von heute ist jedoch eine Verpflichtung für das Diesseits und die Gestaltung der christlichen Gemeinschaft. Hier liegt auch die frohe Botschaft. Zu diesem Diskurs: „Wann fängt das Reich Gottes an – heute hier bei uns oder im Jenseits bzw. am jüngsten Tag?“ möchte ich sie heute einladen.
Der große Theologe Heinz Zahrnt sagt sehr deutlich in seinem Buch „Glauben unter leerem Himmel“: „Außerhalb der Welt gibt es kein Heil“. Ich stimme hier mit Heinz Zahrnt nur bedingt überein, und doch ist es eine provokante Zusammenfassung unseres heutigen Bibeltextes. Ich selber habe Heinz Zahrnt auf dem Kirchentag 1997 in Leipzig erlebt und gespürt, dass diese These allerlei Aufregung mit sich brachte.
Historisch kritische Bibelforschung, evangelikale Christen – alle -, auch wir, müssen uns nun damit auseinandersetzen. Kurz und knapp die Frage an uns alle: „Wo finden wir das Heil – und wie?“
Die Gemeinschaft aus Christinnen und Christen ist ein Geistgemeinschaft und der Geist Gottes die Quelle ihres Lebens.
Jesus von Nazareth hat keine neu Kirche gegründet – aber er hat einen Erinnerungs- und Erzählprozess in Gang gesetzt.
Wir sind gehalten, das Feuer dieses Geistes zu bewahren. Nicht selten denken wir allerdings, wir sitzen auf einem Pulverfass, ständig in der Gefahr in die Luft zu fliegen. Daher lautet die grundsätzliche Antwort wie jeher: Die Christenheit muss bewusst die von Jesus entfachte Geist - und Sammlungsbewegung fortsetzen und die Gemeinschaft als Angebot des Glaubens in der Welt verstehen.
Was heißt dieses aber konkret? Ich möchte Sie und mich auffordern mit anderen Menschen in Dialog zu treten und unsere jeweilige Sicht der Dinge zu diskutieren, unsere Ängste und unser Unverständnis formulieren, und doch stets beieinander zu bleiben- egal ob der oder die Einzelne seine Hoffnung im Diesseits oder im Jenseits findet. Der Dialog darüber erscheint mit persönlich sehr wichtig. Einander zuhören, widersprechen, wieder zuhören, ggf. zu streiten und doch beieinander zu bleiben. Das ist unser christlicher Auftrag.
Beieinander zu bleiben – trotz unterschiedlicher Zugänge und unterschiedlichem Verständnis von Diakonie und Mission – den beiden Handlungssträngen des Christentum. Und doch gehört zum Christentum natürlich auch eine Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Wir können die Schöpfung und das eigene Lebens als Gnade betrachten und das in der Welt verborgene Evangelium entdecken.
Wir waren, sind und bleiben Geschöpfe Gottes. Etwas anderes kann aus uns gar nicht werden. Das Leben ist also ein Geschenk - unendlich kostbar – und gerade deswegen - obwohl geschenkt - nicht billig.
In Jesu Person bricht es an. In dem, was Jesus tut und sagt, kann ich das Reich Gottes schon erfahren.
- Wenn Jesus Menschen heilte, dann damit ich heute erkenne: So wird es im Reich Gottes sein – es wird keine Krankheit mehr geben.
- Wenn Jesus Menschen satt machte, dann damit ich erkenne: So wird das Reich Gottes sein. Menschen werden keinen Hunger mehr leiden.
- Wenn Jesus eine Frau vor der Steinigung bewahrte, dann gewiss auch darum, damit ich erkenne: Im Reich Gottes wird kein Mensch mehr durch einen anderen zu Tode kommen.
- Wenn Jesus mit seinen Jüngerinnen und Jüngern gemeinschaftlich lebt – dann auch darum - damit ich erkenne: Im Reich Gottes wird selbst die Einsamkeit überwunden.
- Wenn Jesus den Jüngern nach der Kreuzigung auf dem Weg nach Emmaus erscheint, dann damit ich erkenne: So wird es im Reich Gottes sein – der Tod wird keine letzte Macht über mich haben.
Ich möchte schließen mit einem Gedicht von Hanns Dieter Hüsch –
Das Himmelreich hängt nicht im Himmel – nicht in den Wolken – nicht in Wolkenkuckucksheim – aber es liegt in der Luft.
Du kannst es fühlen, mit deinen Sinnen empfinden und riechen kannst du es wenn Du eine gute Nase hast
und sehen, wenn Dir noch nicht hören und sehen vergangen ist
und du kannst es schmecken in Brot und Wein.
Das Himmelreich ist einem Menschen gleich aus Fleisch und Blut
mit Herz und verständnisvollen Gedanken
unscheinbar, der aus sich nicht viel Aufhebens macht, der aber den Menschen aufhebt der ihm begegnet.
Das Himmelreich durchbricht die dunkelsten Seiten der Welten und es erleuchtet die schwärzesten Seelen.
Die Todeszonen verwandeln sich in Friedenszeiten
die Erde blüht auf.
Amen.
Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben.
Amen